Der Lehrer



"Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an die die Gesellschaft so widersprüchliche Anforderungen stellt:

Gerecht soll er sein, doch taktvoll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Erziehungsdefizite der Elternhäuser ausgleichen, Sucht-Prophylaxe und Aids-Aufklärung betreiben, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hochbegabte Schüler und Schülerinnen gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige. Mit einem Wort:

Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Orten ankommen."


(Prof. Müller-Limmroht, "Züricher Weltwoche", 02.06.1988)




Donnerstag, 23. Juni 2011

Elternnachricht

Heute morgen stehe ich im Sekretariat vor dem Direktorzimmer, als Sevastina mit ihrer Freundin im Schlepptau herein kommt. Ich begrüße die Mädchen mit einem "Guten Morgen!" und schaue sie auffordernd an. "Guten Morgen", murmelt Sevastinas Freundin. Sie dagegen wedelt mit einem Blatt Papier herum: "Wegen mein Handy doch." Aha, das ist also der Brief ihrer Eltern, der bestätigt, dass sie das Handy vom Direktor abholen kann. Die Mama hat sich gestern übrigens nicht bei mir gemeldet. Dafür habe ich aber heute einen schriftliche Nachricht von Antons Mutter bekommen: Er hatte letzte Woche seinen Kaugummi auch nach zweimaliger Aufforderung noch nicht entfernt und mich auf die Nachfrage "Hast du den Kaugummi immer noch im Mund?" angelogen. Daraufhin erteilte ich ihm einen Tadel, den ich heute unterschrieben zurück bekam, mit dem Zusatz der Mutter: "PS: Einen Tadel finde ich etwas übertrieben, ein Klassenbucheintrag hätte wohl gereicht." Aha. Nächstes Mal dann....

Heute war die letzte Stunde mit einer 9. - Sport. Die Schüler durften sich deswegen aussuchen, was sie machen wollten, und wie immer entschieden sich die meisten Jungs für Fußball. Dabei scheint es immer dabei zu gehen, sich gegenseitig abzuschießen, und zwar so scharf, wie es irgendwie geht. Naja, solange dabei keiner heult...Ein paar der Jungen haben allerdings auch Basketball gespielt und sich etwas wirklich Cooles einfallen lassen: Sie haben ein Minitrampolin und eine große weiche Matte so unter einen Basketballkorb gebaut, dass sie springen und einen Dunking (Korbwurf von oben) machen konnten. Schön, wieviel Spaß sie dabei hatten. Und nach der Stunde fanden dann auch einige, dass der Unterricht bei mir immer "ziemlich cool und chillig" gewesen ist. Chillig?? Da hab ich sie wohl nicht genug laufen lassen?!

Mit meiner 7. hatte ich heute Englisch - diese Stunde sollte wirklich chillig werden. Denn ich wollte mit den Kindern nur schnell besprechen, dass wir am Montag, wenn wir die ersten beiden Stunden zum allerletzten Mal zusammen Unterricht haben, gemeinsam frühstücken wollen. Als ich im Mai schon einmal versuchte, ein gemeinsames Picknick zu organisieren, seh keiner der Schüler ein, warum er für die anderen etwas zu essen mitbringen sollte (sie wollten sich jeder mit ihrer eigenen Brotdose in den Park setzen). Als ich damals eine Liste rumgab, in der jeder eintragen sollte, was er mitbringen wollte, stand dann da drauf: "ein pickup, ein durstlöscher, ein muffin, fünf chips...". Das Picknick habe ich dann ausfallen lassen, aber diesmal hatte ich ja die ultimative Erpressung parrat: Entweder frühstücken oder Unterricht! Hat dann auch ganz gut geklappt, das Listenausfüllen, aber die Schüler waren dermaßen außer Rand und Band, dass ich alles Weitere überhaupt nicht besprechen konnte. Deswegen habe ich irgendwann an die Tafel geschrieben: "Ich bin im Medienraum, wenn ihr euch beruhigt habt, kommt bitte LEISE hinterher!" und bin los gegangen. Hat funktioniert. Sie sind hinterhergekommen. Nicht ganz leise, aber immerhin auch nicht so chaotisch und wild wie sonst.
In der Pause haben insgesamt fünf Lehrer, darunter auch ich, unseren Abschied von der Schule gefeiert. Wir alle werden im nächsten Jahr woanders unterrichten, ich gehe sehr wahrscheinlich an ein Gymnasium in Berlin Wedding. Es gab Kuchen, Saft und Sekt, Blumensträuße und eine ganz kleine Ansprache von unserem sehr gestressten Direktor (Nachbereitungen des Schuljahres, Vorbereitungen für das nächste). Ich werde aber bis Dienstag natürlich trotzdem unterrichten. Morgen zum Beispiel: Sport mit meiner anderen Neunten in den ersten beiden Stunden. Ich werde mit ihnen einen schönen kleinen Waldlauf machen (Oaaaaa, Frau Schmidt, über die Quälerei. So früh am morgen lauf ich noch nich! Ey ganz ehrlich: das ist ohne Sinn!). Na gut, danach dürfen die armen Schüler dann Fußball spielen. Oder Basketball.

1 Kommentar:

  1. :-)
    Schön, zu lesen, dass sie bald schon Ferien haben. Ich beneide sie, ich hab ab montag wieder normal schule (habe z.Z Pfingstferien) und dann dauert es ein weilchen, bis ich sommerferien habe. :D

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