Der Lehrer



"Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an die die Gesellschaft so widersprüchliche Anforderungen stellt:

Gerecht soll er sein, doch taktvoll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Erziehungsdefizite der Elternhäuser ausgleichen, Sucht-Prophylaxe und Aids-Aufklärung betreiben, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hochbegabte Schüler und Schülerinnen gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige. Mit einem Wort:

Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Orten ankommen."


(Prof. Müller-Limmroht, "Züricher Weltwoche", 02.06.1988)




Montag, 16. Mai 2011

Macht das eigentlich noch Spaß?!

Ich glaub, ich sollte hier mal was Positives reinschreiben. Die Leute bemitleiden mich ja schon, nachdem sie meinen Blog gelesen haben und fangen an zu fragen, ob ich überhaupt Spaß habe am Lehrerleben. Zu dieser Frage gibt es nur eine richtige Antwort: JAAAA, und wie (und das ist jetzt ausnahmsweise mal keine Ironie). Auch wenn die Schüler natürlich manchmal nervig, anstrengend und einfach dooooooof sind, und auch wenns im Lehrerzimmer zuweilen nicht besser zugeht (dem Lehrerzimmer muss ich demnächst echt mal nen eigenen Post widmen), so kann ich mir doch nichts besseres vorstellen. Es macht mir Spaß, wenn eine Klasse, so wie meine 7. in Englisch, eine pädagogische Herausforderung darstellt, und wenn Schüler nicht so leicht zu knacken sind, sondern wenn man erstmal herausfinden muss, wie sie so ticken und wie man sie behandeln muss, damit sie nicht ausrasten und sich am Unterricht beteiligen. Klar, nicht immer gehe ich gerne auf Konfrontation, und es ist wahnsinnig anstrengend, wenn die Schüler alles ausdiskutieren wollen (Noten, Anweisungen, Sitzpläne, Arbeiten, meine Frisur, meine Schuhe, ihr Wochenende), aber meist lache ich innerlich, auch wenn ich gerade meckern muss.


Heute hat zum Beispiel meine 7. Klasse gedacht, ich hätte schlechte Laune. Hatte ich aber gar nicht, ich wollte nur, dass sie das Thema, was wir gerade behandeln (wir sind immer noch bei den Zusammenfassungen von kurzen, sehr kurzen Texten) auch wirklich alle verstehen. Dazu muss natürlich Ruhe in der Klasse herrschen, und die ist gar nicht so einfach herzustellen. Deswegen gings heute auch nicht ohne Nachsitzen: Ich habe für jede verplemperte Minute einen Strich an die Tafel gemalt und den Schülern gesagt: "So, und nach der Stunde sage ich euch den Faktor, mit dem ich die Minuten multipliziere!" ("Hääää, was isn ein Faktor? Was isn multiplizieren?"). Der Faktor erhöhte sich von 1 auf 2, weil außer 2 Schüler niemand seine Hausaufgaben gemacht hat, und von 2 auf 3, weil kaum ein Schüler den Elternbrief mit Unterschrift zurück gebracht hat ("Häää, was für ne Hausaufgabe?", "Hääää, was fürn Brief?"). Also haben wir uns nach der 7. Stunde nochmal für 18 Minuten getroffen und den Unterrichtsstoff nachgearbeitet.


Klar, das klingt erstmal ätzend, ist es aber eigentlich wirklich nicht. Ich will ja nur, dass die Kinder alles so gut wie möglich verstehen, also muss ich auch mal durchgreifen - und darf dabei meinen eigenen Spaß nicht verlieren. Denn ich glaube, dass ich diesen Job gar nicht machen könnte, ohne dabei wirklich Freude zu empfinden, ohne 100% ig hinter dem zu stehen, was ich da täglich veranstalte. Natürlich habe ich auch mal schlechte Tage, und natürlich denke ich auch manchmal, dass alles viel zu viel ist und ich das gar nicht schaffen kann, aber dann ist es auch wieder mal so wie heute, wo man nach 7 Stunden glücklich nach Hause kommt, weil man weiß: Jawoll, das ist genau das, was ich wirklich machen will (und das, obwohl ich heute schon wieder die obernervigste Klasse ever hatte - liebe 9c, ihr seid wirklich anstrengend!!!).

2 Kommentare:

  1. Ich würde meine Schüler auch gerne mal nacharbeiten lassen... geht bei uns aber nicht, da dann keine Busse mehr fahren (für Berlin unvorstellbar). Geht das so einfach (Schulordnung bei euch?)? Oder hattest du deswegen schon Probleme mit den Eltern? LG

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  2. Bei uns in der Schule darf man die Schüler nach dem Unterricht noch höchstens 20 Minuten nachsitzen lassen. Sollte das Nachsitzen mal länger dauern, müssen die Eltern vorher informiert werden, was aber eher nervig ist. Eigentlich lasse ich auch überhaupt nicht gerne nachsitzen, ich hab schließlich auch mal Schluss, aber manchmal gehts eben nicht anders...

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