Der Lehrer



"Wahrscheinlich gibt es nicht viele Berufe, an die die Gesellschaft so widersprüchliche Anforderungen stellt:

Gerecht soll er sein, doch taktvoll auf jedes Kind eingehen, Begabungen wecken, pädagogische Erziehungsdefizite der Elternhäuser ausgleichen, Sucht-Prophylaxe und Aids-Aufklärung betreiben, auf jeden Fall den Lehrplan einhalten, wobei hochbegabte Schüler und Schülerinnen gleichermaßen zu berücksichtigen sind wie begriffsstutzige. Mit einem Wort:

Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südlicher Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Orten ankommen."


(Prof. Müller-Limmroht, "Züricher Weltwoche", 02.06.1988)




Montag, 9. Mai 2011

1. Station: Eine Realschule in Berlin Nord

Die Realschule liegt im Nordwesten in Berlin. Eigentlich nicht in einem Problemkiez, aber Einzugsgebiet ist auch das Märkische Viertel (MV), eine Trabantenstadt mit 50.000 Einwohnern in ca. 17.000 Bewohnern. MV hat keinen besonders guten Ruf (sozialer Brennpunkt und so), was die Kids von dort nicht daran hindert, patriotisch wie der Deutsche beim Weltmeisterschaftsfinale gegen Argentinien.



Und in dieser Schule arbeite ich seit Januar als Vertretungslehrer. Mit 13 Stunden bin ich eingestiegen, mittlerweile arbeite ich 26 Stunden – und krieche nach der Schule förmlich nach Hause und an den Schreibtisch, wo ich dann weiter arbeite. Mit meiner Kombo Sport/Englisch habe ich ja noch Glück – Englisch/Deutsch zu unterrichten klingt nach so viel Arbeit, dass ich es mir lieber gar nicht erst vorstelle.



Also, die Schule. Wie ist die Schule? Nunja, es gibt gerade viele Bauarbeiten, das Lehrerzimmer gleicht eher einem Altersheim, und die Schüler…naja. Am Anfang war ich geschockt über so viel Disziplin- und Respektlosigkeit. Aber inzwischen – zum Glück gewöhnt sich der Mensch an vieles.

Gestern war wieder so ein Tag: Freitags bin ich nur für 3 Stunden an der Schule (I like): Erst zweimal Sport mit den Mädels aus den 10., dann einmal Englisch in der 8.
Vorgestern hatte ich mit den drei anderen Sportlehrern (ja, der Fachbereich Sport ist unterbesetzt; ja, wir haben Schwierigkeiten, allen Klassen die ihnen zustehenden 3 Sportstunden in der Woche zu gewährleisten; nein, wir können nicht getrennt geschlechtlich unterrichten und ja, wir finden das doof und die Schüler erst recht) der Schule beschlossen, die Schüler in der großen Halle spielen zu lassen und in der kleinen Halle Hochsprung durchzuführen. Beim Aufbau der Hochsprunganlage sollten mir die sportbefreiten Schüler helfen, die unmotiviert wie immer in die Halle geschlurft kamen und sich sofort auf die Bank setzten. Und natürlich erst mal gaaaaaaar nicht reagierten, als ich sie dazu aufforderte, eine Weichbodenmatte zu holen. Auch beim zweiten und dritten Mal taten sie, als sei ich gar nicht vorhanden. Weil es mir eh nicht gut ging (Angina, wie sich später herausstellte), hatte ich auf Konfrontation ausnahmsweise mal keinen Bock und ließ die Jungs einfach sitzen. Zum Glück kam mein Sportlehrerkollege, der die Schüler sogar beim Namen kannte (ich hab ja normalerweise nur die Mädels), und half mir. „Aber das mach‘ ich nur für Sie, für Frau Schmidt würd ich das nie machen!“…..jaaaaa Markus, wie oft haben wir das schon gehört?! (Ich hab mich nämlich tatsächlich mal dazu erdreistet, ihn nach dem Sportunterricht zum Aufräumen der Halle aufzufordern und bin mit ihm, als er sich standhaft weigerte, zum Direx gegangen, wo er dann ordentlich Ärger bekommen hat).

Englisch lief super. Weil der stellvertretende Schulleiter mit drin saß, sonst geht mir die Klasse über Tische und Stühle.

Hab ich schon erwähnt, dass ich das Lehrer-Dasein unglaublich toll finde, und dass ich mir keinen besseren Job vorstellen kann?!

1 Kommentar:

  1. Na das freut mich, dass du deinen Traumjob gefunden hast... ;)kann ja nur besser werden, oder!? Halte durch!

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